Die Frau mit der Muschel
Sie saß allein am Strand, eine Muschel in der Hand.
Immer wieder hob sie sie ans Ohr, lauschte hinein – und nickte dann leicht, als hätte ihr die Muschel gerade etwas geantwortet.
Ein Mann, der sie eine Weile beobachtet hatte, trat näher.
„Entschuldigung … was machst du da?“ fragte er vorsichtig.
Sie sah ihn an, ein wenig überrascht, aber nicht unfreundlich.
„Ich höre dem Meer zu.“
„Durch die Muschel?“
Sie nickte. „Ja. Aber nicht so, wie du denkst.“
Er runzelte die Stirn.
„Was meinst du?“
Sie lächelte.
„Viele glauben, sie hören das Meer. In Wirklichkeit hören sie nur sich selbst. Ihre Sehnsucht. Ihre Gedanken. Ihre Erinnerungen.“
Der Mann war still.
„Die meisten Menschen hören nicht zu. Nicht wirklich. Sie reagieren – auf das, was sie glauben, gehört zu haben. Nicht auf das, was wirklich gesagt wurde.“
Sie ließ die Muschel sinken.
„Ich habe das Meer lange nicht gehört. Ich dachte, ich höre es – aber es war nur mein eigener Lärm.“
„Und jetzt?“, fragte er leise.
„Jetzt höre ich zu. Ohne zu deuten. Ohne sofort zu antworten. Ohne innerlich schon beim nächsten Satz zu sein.“
Sie reichte ihm die Muschel.
„Probier’s. Vielleicht hörst du mehr, wenn du nichts erwartest.“
Er nahm sie. Hob sie vorsichtig ans Ohr. Und zum ersten Mal … war da Stille.
Nicht leer. Sondern voll.
Mit Bedeutung, die er nicht erklären konnte.
Fazit / Moral:
Manche hören nur, was sie ohnehin schon denken.
Andere hören zwischen den Worten – und beginnen zu verstehen.
Zuhören ist eine Form von Liebe.
Und Sprechen eine Einladung, sich zu zeigen – nicht zu beweisen.
Wenn wir das lernen, wird Kommunikation heilsam.
Für beide Seiten.
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