Die Geschichte vom weisen Baum
Es war einmal ein alter Baum, der mitten auf einer Lichtung stand.
Seine Krone war mächtig, seine Äste weit verzweigt.
Viele Tiere suchten Schutz unter ihm, und die Menschen bewunderten ihn für seine Schönheit.
Doch tief im Innern spürte der Baum einen Schmerz.
Einen Riss in seiner Rinde, der von Jahr zu Jahr größer wurde.
Er versuchte, ihn zu überdecken mit frischem Laub, mit Blüten, mit allem, was er hatte.
Doch der Riss blieb. Und mit der Zeit begann der Baum zu welken.
Eines Tages kam ein Kind zu ihm. Es legte die Hand sanft auf die verletzte Stelle und fragte:
„Was ist hier passiert?“
Der Baum schwieg.
„Du musst nicht stark sein für mich“, flüsterte das Kind.
„Ich sehe Dich auch so.“
Da erzählte der Baum – zum ersten Mal – von einem alten Sturm,
von einem Blitz, der ihn einst getroffen hatte.
Von Wurzeln, die nicht mehr alle nährten, weil sie in steinigem Boden lagen.
Und von Ästen, die sich krümmten, um anderen Licht zu lassen – nicht sich selbst.
Als er zu Ende gesprochen hatte, geschah etwas Seltsames.
Der Riss begann zu heilen.
Nicht, weil er verschwunden war.
Sondern weil er gesehen wurde.
Weil er endlich gehört wurde.
Und im Jahr darauf blühte der Baum, wie nie zuvor.
Manchmal braucht es nur einen Moment des ehrlichen Hinschauens
Einen sicheren Raum, in dem wir unsere Risse zeigen dürfen.
Dann beginnt Heilung – sanft, still und kraftvoll.
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