Kalender und Hand, die schreibt

 

Die Geschichte vom leeren Kalender

 

Ein alter Meister und sein junger Schüler wanderten durch ein fruchtbares Tal. Der Frühling stand in voller Blüte, und die Luft war erfüllt vom Duft wilder Kräuter. Am Wegesrand blühten Pfirsichbäume, und die Vögel sangen in einem fast übermütigen Chor.

Plötzlich blieb der Meister stehen, setzte sich unter einen großen Feigenbaum und winkte seinen Schüler zu sich.

„Sag mir“, begann er, „wenn heute dein letzter Tag wäre – würdest du ihn genauso verbringen wie diesen?“

Der Schüler runzelte die Stirn. „Meister, ich habe Pflichten, Termine, Verantwortung. Man kann doch nicht immer tun, was man will.“

Der Meister griff in seine Robe und holte einen kleinen Taschenkalender hervor.

Er schlug ihn auf – jede Seite war leer. Kein einziger Eintrag.

„Was siehst du?“

„Nichts. Er ist leer.“

„Genau“, sagte der Meister. „Viele Menschen füllen ihren Kalender, um sich wichtig zu fühlen. Sie leben nach Uhr und Pflicht – und bemerken nicht, wie ihre Sommer vergehen. Doch eines Tages ist der Kalender von selbst leer. Für immer.“

Der Schüler schwieg und spürte, wie ihm ein Kloß im Hals wuchs.

„Leben heißt“, fuhr der Meister fort, „dass du heute etwas tust, das dich erfüllt – auch wenn es unvernünftig scheint. Dass du einem Traum folgst, bevor er nur noch eine Erinnerung sein kann. Die Tage, die du verschiebst, kommen nie zurück.“

Der Meister lächelte. „Sag mir, wie viele Sommer hast du noch?“

Der Schüler antwortete nicht. Stattdessen steckte er den Kalender in seine Tasche – und machte sich auf den Weg, seinen Traum zu leben.

 


 

Moral der Geschichte:
Jeder Sommer, den du nicht lebst, ist für immer verloren. Warte nicht, bis dein Kalender von selbst leer ist – fülle ihn mit dem, was dich lebendig macht.

 


 

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